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10. Oktober 2021

Start-Ziel Sieg in Gießen

Eine erneute Energieleistung bringt vor knapp 1.600 Zuschauern in der Sporthalle Gießen Ost den dritten Sieg im dritten Spiel. Topscorer der Partie ist Jordan Geist mit 28 Punkten. Eine kompromisslose Defense sowie die entschlossene Arbeit am offensiven Brett sind die Schlüssel zum Erfolg. Kommende Woche geht es zu den ebenso ungeschlagenen Bambergern, die ihrerseits in Ulm überzeugen konnten.

Wir hatten es im Vorbericht bereits thematisiert. Ohne die verletzten Albert Kuppe (Fingerbruch) und Kelvin Martin (Muskelfaserriss), aber mit den Rückkehrern Rob Lowery und Osasu Osaghae war Coach Frenki wieder zu einer verkürzten Rotation von acht Mann gezwungen. Es war fraglich, ob eine erneute Energieleistung im Hexenkessel von Gießen ausreichen würde, um den nächsten Sieg einzufahren. Die Marschroute hingegen schien klar. Die Mannschaft war gerade in der Lahnstadt angekommen, da schickte der Coach ein Video einer unglaublich intensiven Verteidigungssequenz aus einem Euroleague-Spiel in den Gruppenchat der Academics mit dem dezenten Hinweis: „D (Defense) with this intensity would be a nice present today“.

Die Gastgeber, bei denen McCullum erstmals im Kader stand, hatten auf den Ausfall von Rawle Alkins entgegen öffentlicher Verlautbarungen schnell reagiert und den Gegner mit Jalen Tate als Neuzugang überrascht. Die Neckarstädter ließen sich davon jedoch nicht irritieren und begannen die Partie mit vier schnellen Punkten durch Jordan Geist und Max Ugrai. Es entwickelte sich jedoch zunächst ein recht offener Schlagabtausch, in welchem Heidelberg immer in Führung sich nicht entscheidend absetzen konnte. Einen Anteil hieran hatte sicherlich die doch beeindruckende Präsenz von „Big“ John Bryant, an dem die Akademiker immer wieder wie an einer Wand abprallten.

Es war Niki Würzner, der diesem ersten Viertel seinen Stempel aufzudrücken wusste. Dass er in der Defensive eine wichtige Stütze ist, ist unumstritten. Doch auch offensiv findet sich das Heidelberger Eigengewächs in der easycredit BBL gut zurecht. Sechs Punkte standen im ersten Viertel auf der Habenseite. Auch der eingewechselte Lowery fügte sich gut ein und stellte zum Ende des Viertels mit einem der wenigen erfolgreichen Dreier seines Teams den 17:24 Spielstand und somit eine sieben Punkte Führung her.

Osasu Osaghae macht den Unterschied

Die ersten zwei Minuten des zweiten Spielabschnitts verliefen weniger vielversprechend. Der über das gesamte Spiel hinweg schwachen Freiwurfquote der 46ers war es zu verdanken, dass sie nicht näher rankamen. Dennoch schmolz der Vorsprung auf vier Punkte, als der Coach den wieder genesenen Osasu Osaghae einwechselte. Eine Entscheidung mit positivem Einfluss auf das Spiel. In den folgenden acht Minuten gelang den Gießenern noch genau ein einziger Korb aus dem Feld. Immer wieder war Osaghae defensiv zur Stelle. Die Folge waren ein 7:0 (auf 20:31) und ein 9:0 Lauf auf 22:40 (18. Minute).

Defensiver Anker der Academics: Osasu Osaghae (Foto: Thomas Disqué)

Mit einem komfortablen Vorsprung ging es also in die Halbzeitpause. Der Kenner des Basketballsports ahnte bereits, dass dieser Vorsprung nicht in Sicherheit wiegen sollte. Es war zu erwarten, dass Pete Strobl (Coach der Gastgeber) seine Jungs in der Pause einheizen und in die Pflicht nehmen würde. Schließlich möchte man sich beim Heimspiel gegen den Aufsteiger nicht so einfach geschlagen geben.

So kam es dann auch. Die 46ers wirkten defensiv wesentlich aggressiver und kamen offensiv in einen guten Spielfluss, während die Academics aus einer statischen Offense hauptsächlich über Einzelaktionen zu Erfolgen kamen. Nicht hingegen bei einem der wenigen offensiven Highlights, bei welchem Lowery nach wunderschönem Anspiel durch Ugrai vorerst wieder auf 16 Punkte Vorsprung stellen konnte. Drei Minuten waren im dritten Viertel gespielt. Auszeit Gießen.

Dreierregen läutet Aufholjagd ein

Was nun folgte, war die wohl beste Phase der Gastgeber. Gelang ihnen in der kompletten ersten Halbzeit ein einziger Treffer aus der Distanz, so sollte sich dieses Bild nun gravierend ändern. Brayon Blake versenkte zwei Dreier in Serie und schien nicht nur seine Teamkollegen wachzurütteln sondern auch das Publikum, welches sich lautstark bemerkbar machte. Die Gießener waren nun nicht mehr zu stoppen. Über konsequenten Zug zum Korb und daraus resultierendem schnellen Passspiel kamen sie immer wieder zu offenen Wurfchancen – und nutzten diese.

Über drei weitere Dreier von McCullum, Omot und Anderson, der zudem per Buzzer Beater mit einem viel zu leichten Coast-to-Coast Layup den Schlusspunkt unter das Viertel setzte, schmolz der Vorsprung gefährlich zusammen. 26 Punkte erzielten die Gastgeber in der ersten Halbzeit, 27 Punkte allein im dritten Viertel. Sorgenfalten machten sich auf Frenki’s Stirn bemerkbar. Zu schnell war der hart erarbeitete Vorsprung hergegeben worden. Ein Fünfpunkte-Vorsprung in dieser Atmosphäre bedeutet nicht viel.

Ins vierte Viertel ging es mit einer weiteren Hypothek. Die intensive Verteidigungsarbeit resultierte in einer hohen Foulbelastung. Eine der großen Vorteile der Gäste an diesem Abend war die Arbeit beim Offensivrebound. Hier tat sich Osaghae hervor, der die ersten vier Punkte des Schlussabschnitts nach Offensivrebounds erzielen konnte. Doch die 46ers ließen sich einfach nicht mehr abschütteln. Nachdem Anderson auf 58:62 verkürzte, kochte die Sporthalle Gießen Ost. Die Partie wurde immer hitziger, körperlicher aber auch mitunter chaotischer. Drei Minuten lang, den Heidelbergern sollte es recht sein, gelang keinem der Teams ein erfolgreicher Abschluss.

Jordan Geist – der Mann für die besonderen Momente

Es waren noch 5:28 Minuten zu spielen, da konnte es dem Zuschauer, der es mit den Kurpfälzern hielt, doch Angst und Bange werden. Erstmals nach dem frühen 17:19 (2. Minute) schmolz der Vorsprung durch einen Korbleger von Fayne auf zwei Punkte. Zwar behielt Ely auf der anderen Seite die Ruhe und erhöhte nach schöner Einzelleistung durch einen Midrange Jumper wieder auf vier Punkte. Das wichtige two-possesion Game war also wieder hergestellt. Im nächsten Angriff konterte Omot jedoch postwendend und brachte seine Mannen auf 62:64 heran.

Jordan Geist schoss bis zu diesem Zeitpunkt auschließlich „Fahrkarten von Downtown“. Kein Wurf wollte aus dem Dreipunktbereich fallen. Doch um das Selbstvertrauen des US-Amerikaners scheint es gut bestellt. Selbstzweifel Fehlanzeige. Gerade als die Partie endgültig zu kippen drohte, fasste sich Geist ein Herz und erzielte in seiner unnachahmlichen Art und Weise einen Stepback-Dreier aus dem Dribbling und erhöhte drei Minuten vor Ende auf 62:69. Imposant: die letzten elf Punkte der Heidelberger gingen allesamt auf das Konto des Guards, der am Ende gar auf 28 Punkte kommen sollte.

Gemischtes Fazit

Wenn man von einem Start-Ziel Sieg spricht, setzen das viele mit einem „nie gefährdeten“ Sieg gleich. Dass dem nicht immer so ist, davon konnten sich die Zuschauer gestern ein beeindruckendes Bild machen. Nach dem dritten Sieg im dritten Spiel reisen die Academics in der kommenden Woche befreit, aber in dem Wissen, dass noch viel zu tun ist, nach Bamberg. Mit der schlechtesten Dreierquote und den mit Abstand wenigsten Assists der Liga wird es schwer werden, die Welle des Erfolgs weiter reiten zu können. Die drei Siege nimmt den Academics keiner mehr, sollen aber weitere hinzukommen, gibt es ausreichend Ansatzpunkte zur Verbesserung. Am mangelnden Einsatz und der bestechenden Leistung in der Verteidigung wird es hingegen nicht scheitern.