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12. Februar 2023

Ohne Washington in Ulm: Gute Leistung, schmerzhaftes Ende

Im Basketball sind es sehr häufig die berühmt-berüchtigten Kleinigkeiten, die in engen Spielen das Zünglein an der Waage bilden. So sollte es beim dramatischen Fight zwischen ratiopharm Ulm und den MLP Academics Heidelberg am Samstagabend in der easyCredit Basketball Bundesliga sein. Die ohne ihren – kurzfristig an einem grippalen Infekt – erkrankten Topscorer Eric Washington auflaufenden Heidelberger zeigten über 36 Minuten eine bravouröse Leistung. Vor 5.217 Zuschauern in der Ratiopharm-Arena von Neu- Ulm sah es lange nicht nach einem Heimerfolg der Orangefarbenen aus. Die Academics gingen nach einer Schweigeminute für die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien einen Tick energiegeladener ans Werk, was sich in der Reboundstatistik widerspiegelte. Sie schienen an der Rolle der Partycrasher Gefallen zu finden. Umso krasser die Zäsur: Binnen 2:46 Minuten brachen alle Hoffnungen – nach einer Anhäufung von missglückten Szenen – wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Am Ende stand ein 92:84 (24:20, 20:25, 22:25, 26:14) für die Einheimischen auf der Anzeigetafel, Ulm feierte den vierten BBL-Sieg in Folge sehr emotional, während sich über das Heidelberger Team und die 30 mitgereisten Fans eine tiefe Traurigkeit legte.

Die Schlüsselmomente im Stenogrammstil: Noch stehen 4:00 Minuten auf der Spieluhr, da versenkt De’Jon Davis einen Dreier zum 81:82. Ulm kontert mit dem stärker werdenden Joshua Hawley per Dreier zum 84:82 nur 25 Sekunden später. Dann ein Fehlpass von Bennet Hundt auf Vincent Kesteloot, der Schrittfehler von Tim Coleman, zugleich der 15. Ballverlust der Gäste. Ein Offensiv-Rebound mit Glück und Geschick von Hawley, ein Pass zu Brandon Paul, Dreier, 87:82. „Uuulmer, Uuulmer, Uuulmer“, die Sprechchöre auf der Tribüne erklingen siegestrunken. Ein
vergebener Korbleger von Hundt, der Rebound von Hawley, das fünfte Foul von Max Ugrai am dribbelnden Karim Jallow. Zwei verwandelte Freiwürfe von Jallow zum 89:82 (1:14 Minuten vor Schluss). Alles entschieden? Der Korbleger von Kesteloot zum 89:84. Davis wird von Bruno Caboclo beim Dreier geblockt, Elias Lasisi versucht es ebenfalls und wirft daneben. Rebound von Jallow – Juan Núñez trifft einen auf dem Ring tänzelnden Dreier zum finalen 92:84 (0:13) und macht endgültig den Deckel drauf. Das war’s!

Max Ugrai: „Gut gespielt bis in die Crunchtime“

Max Ugrai mit 16 Punkten hinter De’Jon Davis der zweitbeste Heidelberger. (c) Lukas Adler

„Das tut weh“, sagte hinterher Max Ugrai, der von 2018 bis 2020 das Trikot der Münsterstädter trug, „wir spielen wieder am Mittwoch in Würzburg und müssen die positiven Sachen mitnehmen. Wir haben gut gespielt bis in die Crunchtime.“ Und danach in diesen ominösen 2:46 Minuten und einem folgenschweren 0:8-Lauf? „Wir müssen weiter arbeiten … (Kunstpause) … und die Details verbessern, verbessern, verbessern. Dann werden die Siege kommen“, meinte Max Ugrai zur ambivalenten Gefühlslage. Das Baden-Württemberg-Duell startete mit einem Dreierfestival. Deren sechs auf Ulmer Seite, deren vier von den Academics – Entertainment pur im „Herzen des Südens“, der Basketball-Stadt Ulm. Erstaunlich dabei, wie effizient die Universitätsstädter das Fehlen ihres Go-to-Guys Eric Washington kompensierten.

Die Trefferquote war insbesondere in den ersten beiden Vierteln exzellent, hinzu gesellte sich ein überraschend klarer Vorteil bei den Rebounds. Der Buzzerbeater von Davis, basierend auf energischem Nachgehen, zum 44:45 (Halbzeitstand) per krachendem Dunking sagte alles über den unbedingten Siegeswillen der taktisch gut eingestellten Iisalo-Schützlinge aus.

Im dritten Viertel nahm die intensive Auseinandersetzung noch mehr Fahrt auf. Der Wurfwettbewerb wurde von beiden Kontrahenten leidenschaftlich fortgesetzt, meistens hatten sogar die MLP Academics zur Verzweiflung von Anton Gavels Männern sowie den fanatischen
Unterstützern auf den Tribünenseiten die bessere Antwort parat. Ratiopharm bereitete das 66:70 (3. Viertel) sichtlich Kopfschmerzen.

Núñez und Fuchs agieren ziemlich abgeklärt

Zumal die Schwaben weiter Rückständen (66:72, 72:76, 75:79) hinterherrennen mussten. Schließlich suchten und fanden sie passende Lösungen, um die Defensive der Kurpfälzer zu knacken. Dass dies im Schlussviertel ausgerechnet zwei Ulmer „Rookies“ gelang, darf als spezielle Duftmarke einer außergewöhnlichen Korbjagd verbucht werden. Der 19-jährige Österreicher David Fuchs setzte mit seinem Spirit und Mut wichtige Impulse. Das 18-jährige Ausnahmetalent Juan Núñez, bei Real Madrid ausgebildet und mit einem Dreijahresvertrag an der Donau ausstaffiert, sollte sich abgezockt für die entscheidenden Nadelstiche nebst Schlusspunkt verantwortlich zeichnen. Die aufblitzende Genialität des „Don Juan“, obgleich der Ex-Königliche“ an der Freiwurflinie patzte, machte den feinen Unterschied aus. 
„Die zweiten Chancen am Ende für die Ulmer haben uns gekillt. Es ist eine Niederlage, die weh tut. (…)“ – Bennet Hundt. (c) Lukas Adler

Insgesamt sechs Akteure punkteten bei Ulm zweistellig. Thomas Klepeisz und Co. sammelten 17 (!) Dreier und relativierten auch dank ihrer wilden Entschlossenheit im Schlussviertel das negative Reboundverhältnis (30/39). Auf der Gegenseite überzeugten Max Ugrai und De’Jon Davis als auffälligste Academics-Protagonisten, ergänzt von „Mister Zuverlässig“ Vincent Kesteloot und Washington-Vertreter Bennet Hundt auf der Playmaker-Position. Heidelbergs Neuzugang mit der Trikotnummer 44 sagte selbstkritisch-konstruktiv: „Die zweiten Chancen am Ende für die Ulmer haben uns gekillt. Es ist eine Niederlage, die weh tut. Mit Eric hat ein extrem wichtiger Spieler bei uns gefehlt. Wir haben 100 Prozent gegeben und glauben an uns. Wir müssen nur die Details, die entstanden sind, ausgiebig besprechen.“

Würzburg, Ludwigsburg und Göttingen die nächsten Herausforderungen

Am Mittwoch steht für die MLP Academics Heidelberg die nächste Herausforderung gegen die Würzburg Baskets an. (c) Lukas Adler

Kommunikation und Videosequenzen helfen den MLP Academics gewiss – gerade nach bitteren Momenten, um für die baldigen Herausforderungen am Mittwoch, 15. Februar (20.30 Uhr), bei den Würzburg Baskets, am 5. März bei den MHP Riesen Ludwigsburg sowie am 10. März (19 Uhr) im nächsten Heimspiel gegen die BG Göttingen im SNP dome gewappnet zu sein.

Im Klartext: Die ununterbrochene Beobachtung der kleinen Dinge kann zu Großem führen. Im Profibasketball sowieso. 


Stimmen zum Spiel:

Erst einmal Glückwunsch an Trainer Gavel und sein Team. Diese Niederlage schmerzt sehr, da wir 35 Minuten lang einen großartigen Job gemacht haben. Wir mussten aufgrund des kurzfristigen Ausfalls von Eric Washington unseren Gameplan anpassen und haben dies bis kurz vor dem Ende gut gemacht. Ulm hat allerdings die Intensität erhöht, wir hatten einige Turnover und konnten die Fifty-fifty-Situationen nicht für uns entscheiden. Wir haben in der Schlussphase zu viele Offensiv-Rebounds hergegeben und dies, kombiniert mit den Ballverlusten, hat dann den Unterschied ausgemacht.“ – Joonas Iisalo, Headcoach der MLP Academics
Wir sind mit der falschen Einstellung in die Partie gegangen. Für einen Großteil des Spiels hatten wir defensiv keinen Zugriff. Heidelberg war körperlich um einiges präsenter und wir haben somit zu viele einfache Würfe zugelassen – dies darf uns vor allem ohne ihren Topscorer Washington nicht passieren. Zum Schluss haben wir einen Weg gefunden, dieses Spiel zu gewinnen. In den letzten Spielminuten konnten wir defensiv eine Schippe drauflegen und haben nicht mehr viel zugelassen. Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis, müssen uns aber spielerisch in den kommenden Wochen weiter steigern.“ – Anton Gavel, Headcoach von ratiopharm Ulm

„Wieder ein schwieriges Spiel für uns, in dem wir sehr viel richtig gemacht haben. Gut 35 Minuten lang haben wir gut gespielt, auch ohne Eric. Wir haben die Last auf verschiedene Schultern verteilt, sind offensiv und auch defensiv gut gestanden. Am Ende hat Ulm mehr Aggressivität und Intensität gehabt. Sie haben unsere Lücken gefunden und wir konnten leider bei ihren Offensivrebounds nicht mehr dagegenhalten.“Max Ugrai von den MLP Academics

„Es war ein schwieriges Spiel, aber jeder von uns hat hart gearbeitet. Wir müssen jetzt einfach als Team zusammenbleiben und nach vorne schauen. Und dann werden die Resultate auch kommen.“ – De’Jon Davis von den MLP Academics

MLP Academics Heidelberg: De’Jon Davis 18 (3 Dreier), Max Ugrai 16 (2), Tim Coleman 12 (2), Vincent Kesteloot 11 (1), Bennet Hundt 8 (1), Shy Ely 7 (1), Elias Lasisi 5 (1), Bryan Griffin 4, Akeem Vargas 3, Lukas Herzog, Felix Edwardsson (DNP).
ratiopharm ulm: Thomas Klepeisz 17 (5), Juan Núñez 13 (2), Yago dos Santos 13 (4), Bruno Caboclo 13 (1), Brandon Paul 12 (2), Joshua Hawley 12 (3), David Fuchs 6, Karim Jallow 4, Robin Christen 2, Tobias Brahe Jensen (DNP), Antonio Dorn (DNP). 

Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Zuschauer:innen: 5.217
MLP Academics Heidelberg – Basketball mit Zukunft